24. November 2021

Es geht im fünfte Teil einer Serie zu FASD um das Leben mit FASD. Bei meinen Vorbereitungen habe ich gemerkt, dass hier fast jedes Thema der bisherigen Folgen reinpassen könnte. Ich muss mich also beschränken.

Ich erzähle vom Sams und Herrn Taschenbier.

Prinzipien im Umgang mit FASD

Damit sind wir schon bei den Prinzipien im Umgang mit Menschen mit FASD. Die Kommunikation sollte einfach, klar, eindeutig und konkret sein.

Das hängt mit der Störung der exekutiven Funktionen im Gehirn zusammen.


  1. Eine Funktion ist das Arbeitsgedächtnis. Oft sind bei Menschen mit FASD die nächsten Schritte einer Aufgabe schon bald ausgeblendet. Oder bereits Gelerntes ist gerade nicht verfügbar.
  2. Die zweite Funktion ist Inhibition oder Hemmung. Wenn ein emotionaler Impuls aufflammt, ist er kaum durch Einordnen in soziale Regeln oder andere Überlegungen zu bremsen, bzw. es dauert deutlich länger.
  3. Eine Funktion ist noch die kognitive Fexibilität. Menschen mit FASD können oft nur schwer mit Situationen umgehen, die plötzlich anders als gewohnt sind.

Etwas ausführlicher kannst du das in der Episode C24 nachhören. Weitere Prinzipen, die sich daraus ableiten lassen, sind Wiederholung und auf Stärken setzen. Bei den eigenen Stärken ist die intrinsische Motivation größer. Motivation von außen, etwa eine mahnende Aufforderung, wird eher Abwehr und emotionale Reaktionen hervorbringen. Dann fällt erst mal die Klappe.

Da es oft hoch her gehen kann, also laut und aggressiv, ist es wichtig, erst mal runter zu regeln und immer wieder eine verlässliche, wohlwollende Beziehung anzubieten. All diese geschilderten Reaktion und Schwierigkeiten sind individuell sehr verschieden.

In einer Pflegefamilie leben

Die Perspektive aus der ich das beschreibe, ist die einer Pflegefamilie. Das wird ähnlich in einer Adoptiv- oder leiblichen Familie sein. Das wichtigste in einer Familie mit FASD ist, vieles zu reduzieren. Das wird sehr deutlich beim Urlaub. Den ersten Urlaub mit unseren Pflegekindern hätten wir uns sparen können. Für alle Beteiligten hat der Stress die Erholung deutlich überwogen. Wir wussten noch nichts von FASD. Mit meiner Frau sehe ich Urlaub auch nicht mehr als Erholungsurlaub.

Im Alltag ist auch reduzieren wichtig. Und der Tagesablauf sollte gleichbleibend und verlässlich sein, z.B. an den Mahlzeiten entlangzuhangeln. Veränderungen sollten vermieden werden. Dennoch kommt immer wieder etwas dazwischen. Daher brauchen Kinder und Jugendliche mit FASD viel Präsenz der Eltern, nicht ständige Betüddelung, aber stets ansprechbar zu sein. Das heißt, Eltern werden ihre Arbeitstätigkeit deutlich runterschrauben müssen. Das Leben in einer Familie mit Kindern und Jugendlichen mit FASD bedeutet aber wirklich nicht nur Reduktion und Verlust.

Die Ernte

Bei unseren volljährigen Zwillingen sehen wir deutlich die Ernte, die unsere langjährigen Bemühungen bringen. Mit ihren sozialen und liebevollen Seiten und ihren Stärken können sie immer wieder überraschen. Mich rührt, welches Vertrauen beide uns entgegenbringen. Ein Lebensstil, der an vielen Stellen reduziert ist, nach dem Motto „weniger ist mehr“, gefällt mir ganz gut.

Die Serie

  1. Was ist FASD?
  2. FASD 4G Diagnose
  3. Wie tickt ein Mensch mit FASD?
  4. Prävention - Ist FASD zu 100% vermeidbar?
  5. Mit FASD Leben